Zeit – wo fliehst du hin?

Bevor ich anfing zu schreiben, las ich in meiner Freizeit viele Bücher. Ja, ich hatte freie Zeit, was für ein Luxus. Lesen war mein liebstes Hobby. Nun habe ich keine Zeit mehr, ganz im Gegenteil. Jede Minute ist ausgefüllt mit irgendwelchen Dingen, die ich noch erledigen muss oder möchte. Das ist wohl die gravierendste Änderung, die Zeitverknappung. Wäre nur ich davon betroffen, es wäre halb so schlimm, ich habe es mir selbst eingebrockt. Aber auch andere Menschen, mit denen ich mich nicht mehr so häufig treffe, leiden unter meinem Zeitmangel. Den Satz ›Seitdem du schreibst, hast du keine Zeit mehr für mich‹ musste ich mir nicht nur einmal anhören und der darin enthaltene, nicht zu überhörende Vorwurf löste doch gleich das schlechte Gewissen in mir aus.

Optimierung des Zeitmanagements ist also angesagt. Aber wie?

Schließlich benötige ich Zeit, um zu schreiben. Dazu komme ich momentan am wenigsten, denn die Vermarktung meines ersten Buches nimmt mehr Zeit in Anspruch, als ich jemals dachte. Auch Lesungen muss ich an Land ziehen und dann vorbereiten.

Und ja, da war doch noch etwas? Ach ja, es gibt auch noch so etwas wie ein Privatleben. Das darf ich nicht vergessen.

Wo nehm ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? (Karl Kraus)

Momentan lese ich nicht mehr viel, aber die wenigen Bücher, die noch bei mir Einzug halten, lese ich jetzt auf eine andere Art und Weise. Ich achte nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Wortwahl, auf die Satzstellung, auf den Schreibstil, auf die Erzählperspektive. Mir fallen gelungene oder nicht gelungene Kapitelanfänge auf. Und ich stolpere über so manch holprigen Satz. Kurz: ich lese nicht mehr ganz so unbefangen, wie ich es früher tat.

Statt zu lesen, wie ich es früher stundenlang gemacht habe, höre ich jetzt viel mehr Hörbücher. Die schenken mir Zeit, denn sie kann ich hören, während ich laufe, putze, bügle und wenn ich nicht schlafen kann. Das Hörerlebnis ist dabei zwar nicht so intensiv wie das Leseerlebnis, aber es ist besser als nichts.

Wer sich nicht digitalisiert, wird ausgeknockt. (Wladimir Klitschko)

Eben dieses Gefühl hatte ich auch und bin deshalb in die Welt der digitalen Medien eingetaucht. Instagram und Facebook begleiten mich täglich, sind zusätzliche Zeitfresser. Dennoch möchte ich beides nicht mehr missen. Schreibtipps, Hilfe bei Problemen, Anregungen, Feedback für mein Buch – das alles hätte ich so zahlreich sonst kaum erhalten. Von einigen Büchern hätte ich nie etwas erfahren und viele wirklich interessante Menschen hätte ich nie kennengelernt, wenn auch leider bisher nur medial. Aber ich denke, das lässt sich ändern und wird sich ändern.

Ich hätte nie einen Verlag gefunden, und dort habe ich tatsächlich schon einige neue interessante und sehr, sehr nette Menschen kennengelernt. Dafür bin ich sehr dankbar.

 

Manche Hähne glauben, dass die Sonne ihretwegen aufgeht. (Theodor Fontane)

Ganz so weit ist es mit meinem Selbstbewusstsein noch nicht her (oder nennt man das nicht schon eher Einbildung?). Nun gut, ich bin kein Hahn, aber ich denke, dass die Sonne auch für mich aufgeht.

Es ist nicht so, dass ich, bevor ich anfing, ein Buch zu schreiben, ein Mauerblümchen gewesen wäre. Aber ein wenig mehr Selbstbewusstsein schadet nie, finde ich. Dass ich ein Buch geschrieben habe, meinen zweiten Roman ebenfalls fertiggestellt habe und am dritten Buch arbeite, hat meinem Ego doch tatsächlich gutgetan.

Ich, ja, ich habe es geschafft, ein ganzes Buch zu schreiben, einen ganzen Roman. Und nicht nur das, mein zweiter Roman ist ebenfalls fertig. Ich habe es auch geschafft, einen Verlag für mein Werk zu interessieren und Leser_innen zu finden, denen dieses Buch gefällt.

Ich meine, das ist eine Leistung und ich klopfe mir selbst auf die Schulter. Gut gemacht!

Zur Steigerung meines Selbstbewusstseins haben aber auch die Bewunderung von Familie, Freunden und Fremden beigetragen. Manchmal bilde ich mir ein, anders wahrgenommen zu werden. Ja, das tut schon gut!

 

Kreativität ist die Intelligenz, die Spaß hat. (Albert Einstein)

Bevor ich anfing zu schreiben, wusste ich nicht, wieviel Kreativität in mir steckt. Andere Menschen waren kreativ, aber doch nicht ich. Ich hörte ihre Musik, bewunderte ihre Bilder, las begeistert ihre Bücher. Und nun erschaffe ich tatsächlich selbst und erfahre, wieviel Spaß es macht, seine Gedanken fließen zu lassen und etwas zu erschaffen. Einstein hat recht. Ich freue mich über jede Idee, die ich habe, über jeden gelungenen Satz und über jeden kuriosen Einfall. Zum Glück fließen die Ideen in dem Moment, in dem ich mich an meinen Laptop setze, und das ist ein wunderbares Gefühl. Bisher musste ich die Erfahrung noch nicht machen, dass mir nichts mehr einfiel, was ich schreiben könnte. Das Wort ›Schreibblockade‹ kenne ich nur vom Lesen, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Darauf verzichte ich allerdings gerne. Ich finde, ich muss nicht alle Erfahrungen selbst machen.

 

Mut

Was hat Mut mit dem Schreiben eines Buches zu tun?

Dazu werde ich demnächst einen eigenen Blog – Artikel verfassen.

Aber schonmal so viel: Ohne Mut geht nichts.

 

Und zu guter Letzt: Das Schreiben hat nicht nur mich verändert, sondern auch das Leben anderer Menschen.

Eine Leserin sagte, sie habe durch meinen Roman endlich Mut gefasst, sich von ihrem Mann zu trennen. Das Buch habe ihr den letzten Anstoß gegeben, sich aus einer Beziehung zu lösen, in der sie schon lange nicht mehr glücklich gewesen sei. Endlich habe sie den Schritt gewagt, den sie jahrelang vor sich hergeschoben habe.

Ist das nicht großartig?

Ein Leser schrieb mir, mein Buch habe bewirkt, dass er wieder zur normalen Literatur zurückgekehrt sei. Er habe in den letzten Jahren eher politische und wirtschaftliche Bücher gelesen, weil er die Welt nicht mehr verstehe, in der wir leben und weil er Deutschland nur noch mit ängstlichen Augen und sehr kritisch betrachte. Unmittelbar nach meinem Roman habe er angefangen, auch wieder zeitgenössische Literatur zu lesen. Er bedankte sich für die Inspiration.

Ist das nicht großartig?

Solche Rückmeldungen erfreuen das Autorenherz und ich bedanke mich ganz herzlich dafür. Sie schenken mir glückliche Augenblicke in meinem Leben, die ich ohne das Schreiben nicht gehabt hätte.