Wir alle schreiben Bücher. Punkt.

Damit könnte die Frage bereits beantwortet sein. Aber nein, diese Gemeinsamkeit meine ich nicht.

Viel eher ließe sich die Frage beantworten, was mich von diesen beiden großen Schriftstellern unterscheidet. Da fiele mir einiges ein. Nur mal so viel: Denke ich an die Zahl der veröffentlichen Romane, steht es 15 zu 7 zu 2.

John Irving hält den Rekord mit fünfzehn Romanen. Davon bildeten fünf Bücher die literarische Vorlage für einen Film.

Benedict Wells hat nunmehr sieben Romane geschrieben und gleich sein erstes Buch wurde verfilmt.

Beide Autoren erhielten zahlreiche Preise. Dies allein zeugt von der Qualität dieser Bücher, der Genialität der Autoren.

Davon bin ich weit entfernt und ich fürchte, das alles werde ich nie mehr erreichen. Keine Verfilmung, keine Auszeichnung – und dennoch bin ich stolz und glücklich, bisher zwei Romane veröffentlicht zu haben. An meinem dritten Werk arbeite ich zurzeit. Wann es fertig sein wird, steht noch in den Sternen.

(Übrigens, wenn ihr wissen möchtet, was Benedict Wells mit John Irving verbindet, und das ist eine ganze Menge, schaut doch mal auf seine Homepage. https://benedictwells.de)

 

Was nun eint mich mit diesen beiden wunderbaren Autoren?

Hier ist die Antwort:

Wenn ich beginne, einen Roman zu schreiben, weiß ich von Anfang an, wie das Ende aussehen wird. Und auf dieses Ende hin schreibe ich.

Ich plotte meine Bücher nicht, das heißt, ich weiß am Anfang nicht, was in der Mitte der Geschichte geschehen wird. Ich habe keine Ahnung, welche Wege meine Protagonisten und Protagonistinnen nehmen werden, um zu dem von mir vorgegebenen Ziel zu gelangen. Auch wenn ich, was nur selten geschieht, eine kurze Etappe plane, kann es passieren, dass sie irgendwo abbiegen, Umwege nehmen, vielleicht eine Rast einlegen, die ich so nicht vorgesehen hatte. Sie sind eigenständige Wesen und haben manches Mal einen ausgeprägten Willen, den sie durchsetzen. Oft wundere ich mich über sie, lasse sie aber gewähren, sofern sie nicht zu weit vom Weg abkommen oder drohen, abzustürzen. Wichtig ist allein, dass sie an das Ziel gelangen, das ich von Anfang an vorgegeben habe. Das müssen sie erreichen, denn daraufhin ist meine Geschichte ausgerichtet.

John Irving sagte in einem Interview anlässlich seines letzten Buches Der Sessellift: »Wenn ich einen Roman beginne, habe ich das Ende im Kopf schon verfasst und schreibe nur darauf hin. Und dabei meine ich nicht nur den Inhalt. Auch die Tona­lität des ganzen Buches wird von diesem Ende bestimmt. Ich bin mir des Anfangs oft nicht sicher, immer wieder ändere ich die Reihen­folge von Kapi­teln. Aber meine Leser können darauf vertrauen, dass ich das Ende kenne.«

Benedict Wells schreibt in seinem letzten Buch Die Geschichten in uns: »Ich könnte die Reise nicht beginnen, ohne das Ziel zu kennen, sonst würde ich mich unterwegs verirren. Für mich ist das Ende als Fixpunkt wichtig, die Stimmung, in die man die Menschen nach dem Lesen entlässt. Auf dieses Gefühl hin baue ich die Geschichte auf.«

Somit ist die Frage beantwortet, was ich mit John Irving und Benedict Wells gemeinsam habe. Es ist nicht viel, nur ein kleiner gemeinsamer Nenner. Bei diesen Autoren haben sie zu größten Erfolgen geführt.

Davon träume ich nur.

 

Und so schließe ich mit den Worten:

Ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nachdenkt. (Hölderlin, Hyperion I,2)