Als der Gedanke, ein Buch zu schreiben, mich wie ein Blitz bei einer privaten Silvesterfeier traf, verließ er mich, der Mut.

Wir alle sprachen über die Dinge, die wir uns für das neue Jahr vorgenommen hatten, und ich traute mich nicht, meinen Vorsatz laut zu äußern. Ich wollte ein Buch schreiben – wie vermessen war das denn? Aber ich habe es getan. Erst, als es mir tatsächlich gelungen war, ein Manuskript anzufertigen, ich einen wunderbaren Lektor gefunden hatte, der mein Buch gelungen fand, fasste ich den Mut, es meiner Familie und meinen Freunden zu verraten (nur wenigen ausgewählten Familienmitgliedern hatte ich es bereits vorher schon erzählt). Die positiven Reaktionen überraschten, erfreuten und bestätigten mich.

Der nächste Schritt, für den ich meinen ganzen Mut zusammennehmen musste, war der Aufbruch in die sozialen Medien. Mich wildfremden Menschen zu öffnen, mich zu zeigen, womöglich kritisiert zu werden, das schürte schon ein wenig die Angst, die ja bekannterweise kein guter Wegbereiter für den Mut ist. Ich überwand die Angst, entschied, was ich von mir preisgeben wollte und was nicht und machte nur gute Erfahrungen.

Irgendwann war es so weit und der Verlag stellte mein Buch und mich der Öffentlichkeit vor. Ich saß, zum Glück mit mehreren Autoren, auf einer Bühne, erzählte vom Entstehungsprozess des Buches, sprach über den Inhalt und beantwortete Fragen. Bevor ich die Bühne betrat, nahm ich mir vor, Selbstbewusstsein auszustrahlen, das ich in diesem Moment wahrlich nicht hatte. Mut zu heucheln, ja, das geht. Und der geheuchelte Mut wandelte sich in echten Mut. Mein anfängliches Herzklopfen schwand schnell. Wieder hatte ich es geschafft.

Meinen Roman konnten jetzt alle lesen. Am liebsten hätte ich mich in ein Mäuseloch verkrochen. Wie würde meine Familie den Inhalt finden, wie die Freunde? Die Personen, die mir am nächsten standen, denen musste ich mutig gegenübertreten, zu meinem Werk stehen. Das war beinahe die größte Hürde, die ich überwinden musste.

Dann kam die erste Lesung in meinem Heimatort. Viele Leute hatten sich angemeldet, ich war stolz, und gleichzeitig rutschte mein Herz so tief in Richtung Magen, dass ich wenige Minuten vorher am liebsten verschwunden wäre. Die Lesung wurde musikalisch eröffnet, so konnte ich noch wenige Minuten durchatmen und Mut sammeln. Den ersten zittrig vorgetragenen Worten folgten ruhige Sätze, mein Herzschlag beruhigte sich und alles lief bestens.

 

Es kamen die ersten Rezensionen. Wieder hatte ich Angst. Würde mein Buch zerrissen werden? Ich traute mich kaum, sie zu lesen. Tiefes Durchatmen half und die Neugierde siegte. Die Rezensionen waren durchweg gut und das Herzklopfen beruhigte sich nach jeder Rezension mehr.

Nun glaubte ich, alles gemeistert zu haben, aber weit gefehlt. Ich wollte, dass mein Buch auch in den Buchhandlungen steht. Aber woher sollten sie es kennen? Also blieb mir nichts anderes übrig, als selbst, bewaffnet mit meinem Buch, in die Läden zu gehen und dafür zu werben. Wieder sprach ich mir Mut zu. Was sollte schon passieren? Mehr als ablehnen konnten sie es nicht. Das allerdings war leichter gesagt als getan. Dennoch, wollte ich, dass mein Roman bekannter wird, musste ich die Werbetrommel rühren. Tapfer öffnete ich die Tür der Buchhandlungen und sagte mein Sprüchchen auf. Ich dachte, es würde mit der Zeit leichter werden, aber das wurde es nicht. Vor jeder Buchhandlung klopfte mein Herz wie verrückt. Sich selbst anzupreisen, ja, das ist nicht gerade mein Ding. Irgendwann sagte eine Buchhändlerin, bei der ich auch nach einer möglichen Lesung gefragt hatte, ich hätte so ein selbstbewusstes Auftreten. Da war mir klar, Mut zu heucheln führt zu wahrem Mut, frei nach Freifrau Marie Ebner von Eschenbach (mährisch-österreichische Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts), die dereinst sagte:

 

Manche Tugenden kann man erwerben, indem man sie lange Zeit heuchelt. Andere zu erringen, wird man umso unfähiger, je mehr man sich den Anschein gibt,  sie zu besitzen. Zu den ersteren gehört der Mut, zu den zweiten die Bescheidenheit.

 

Und somit schließe ich mit den Worten:

Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.

Demokrit (470-380), griech. Philosoph